Donnerstag, 16. Juni 2011

Zum Upanayanam wird Jungs die "Weltseele" nähergebracht




Stellen Sie sich einmal vor, bei Ihrer Kommunion oder Konfirmation hätte eine Kamera das Geschehen life in einen Saal mit 500 Gästen übertragen. Was uns eher als besonderer Luxus erscheint, ist bei brahmanischen Indern normal.

Der siebenjährige Rishi schaut eher ein wenig mürrisch drein. Wie ein kleiner Junge eben, der plötzlich im Mittelpunkt steht und vielleicht etwas verlegen ist. Mit Vater und Mutter sitzt er auf einer Bühne nebst verschiedenen Opfergaben und einem Priester, der mit diversen Räucherwerk und anderen größeren und kleineren Gegenständen hantiert. Seine Mutter schiebt Rishi ab und zu eine Leckerei in den Mund. Als ihm seine Mama einen Kuss auf die Wange drückt, zieht er ein wenig die Nase kraus.

Welcher siebnjährige Junge Jahren möchte schon von seiner Mutter vor sovielen Gästen einen Schmatzer bekommen? Vielleicht irre ich mich ja auch, und er denkt sich gar nichts dabei. Seit drei Uhr morgens ist die Familie bereits auf den Beinen und hat gebetet. Sein Vater hatte ihm zuvor alle nötigen Gebete beigebracht, die er zu seinem Upanayanam können muss.

Durch Upanayanam soll den jungen Leuten der "Geist des Brahman näher gebracht werden". Brahman, so wird im Hinduismus die Weltseele genannt. Aber bevor ich mich in nähere Erklärungen verstricke, schaue ich lieber dem Treiben weiter zu und wie viele deutsche Jungs es ganz prima finden, wenn sie auf ihrer Konfirmation im Mittelpunkt stehen und Geschenke erhalten, findet Rishi wahrscheinlich das Geschehen rund um seine Person auch richtig cool.

Dosas zum Frühstück beim "Fest des heiligen Gewindes"

Im Hintergrund hat nun eine Musikkapelle mit indischen Instrumenten begonnen, rituelle Musik zu spielen. Die Gäste - viele davon Verwandte oder Arbeitskollegen der Mutter und des Vaters - kommen herein und begrüßen die Familie. Rishi handelt das schon recht professionell. Anschließend begeben sich die Besucher in den überdimensionalen Speisesaal des Hotels, der Platz hat für über 1000 Menschen. Es gibt ein typisch indisches Frühstück. Ich bediene mich bei den Dosas, eine Art Pfannkuchen mit viel, viel Butter Ghee und feurigen Soßen. Eine kalorienreiche Mahlzeit, die eher zum Mittagessen oder Abendessen passt. Während man mir von allen Seiten freundlich zulächelt, kann ich meine Augen nicht von dem Bildschirm lassen, der die Zeremonie life überträgt. Im Hauptsaal hatte ich bereits einige Kameraleute entdeckt, die das Geschehen mit Profikameras begleiten.


Nach der Dosa - ("Would you like some more?"), bin ich so satt, wie nach einem kompletten englischen Frühstück. Zurück bei den Feiernden fragt mich jeder, ob ich auch gut gegessen hätte und ich bejahe, eifrig kopf nickend. Ein netter älterer Herr weist mich darauf hin, dass nun der wichtigste Teil der Zeremonie kommt, die Übergabe einer gelben Schärpe durch den Vater an den Sohn. Das ist wohl das heilige Gewinde, the Sacred-Thread, (The Sacred-Thread-Ceremony wird Upanayanam auf Englisch genannt), schließe ich.

Für Mädchen, erfahre ich, gebe es eine ähnliche Zeremonie, allerdings im ganz kleinen Kreis. Die Mädels seien in diesem Alter zu schüchtern, um einen großen Auftritt zu bekommen, gibt man als Begründung an. Allerdings will mir das nicht so recht in den Kopf, wenn ich Rishis kleine Cousinen beobachte, wie sie sich kokett mit älteren Verwandten unterhalten.

Rishi verschwindet mit einem Herrn im Hinterraum und kommt nach einiger Zeit bekleidet mit der gelben Schärpe stolz wieder heraus. Anscheinend ist die Hauptzeremonie nun vollzogen und Rishi hat nun - symbolisiert durch die Schärpe - eine besondere Stufe des hinduistischen Glaubens erreicht, um es mal laienhaft auszudrücken.

Während er mit seiner Familie den Platz wechselt - man setzt sich auf einen Tisch, der mit diversen Köstlichkeiten gedeckt ist - kommen aus dem Publikum etwa gleichaltrige Jungen und Mädchen, vermutlich Cousinen und Cousins, die sich der Familie hinzugesellen. Das übrige Publikum versammelt sich vor dem überdimensionalen Tisch und die Fotografen und Kameraleute nehmen die besten Positionen ein.

Mittlerweile ist es bereits 9 Uhr und wir müssen das morgendliche Fest vorzeitig verlassen. Zuvor erhalten wir noch jeder eine hübsche Tasche mit Süßigkeiten, Früchten und einer Kokosnuss. Keine Chance, sich von den Gastgebern zu verabschieden. Diese sind nämlich wieder von einer Traube Menschen umgeben, die der Familie alles Gute wünschen.

Text, Fotos und Video: Senya Müller